Systemsturz

Marx im Anthropozän

Marx Rehabilitation und Commons als dritter Weg

Im Angesicht der Klimakrise geht es darum einen Weg für eine lebenswerte Zukunft zu ermitteln, der aus dem Kapitalismus führt. Wenn dieser Weg jedoch Kommunismus lautet bekommen viele Menschen Angst und denken an Einparteiensystem und Verstaatlichung der Produktionsmittel.

In diesm Kapitel geht es darum, wie Marx die Klimakrise des Anthorpozäns gesehen hätte, jedoch nicht anhand veralteter Marx-Interpretationen sondern anhand der jüngsten Neuinterpretationen von Marx und seiner Idee der "Commons". Damit sind gemeinschaftlich produzierte und genutzte Güter und gesellschaftlich geteilter und verwalteter Reichtum gmeint. Marx nannte es noch "Gemeinbesitz".

Commons ist ein dritter Weg gegen amerkanischen Neo-Liberalismus und gegen Verstaatlichung sowjetischer Prägung.

Commons bedeutet das öffentliche Güter wie Wasser, Strom, Wohnung, Gesundheitsversorung, Bildung, öffentliche Verkehrsmittel etc. von den Menschen demokratisch verwaltet werden.

Laut Marx werden die Arbeiter von den Commons getrennt und müssen für die Kapitalisten arbeiten. Doch in einer zweiten Stufe zerschlagen die Arbeiter das Monopol was soviel bedeutet, dass sie die Erde und die Produktionsmittel wieder erlangen.

Soziale Errungenschaften wie Gesundheitsfürsorgen, Sozialversicherung, Rente wurden ursprünglich nicht von Regierungen sondern von Gewerkschaften, Nachbarschaftsvereinen, Kooperativen und anderen Organisationen ins Leben gerufen. Sie gründen auf dem Bestreben die Lebensgrundlagen des Menschen nicht dem Markt zu überlassen.

In den 1980er wurden jedoch die Gewerkschaften das öffentliche Gesundheitswesen, Rente etc. geschwächt. Die Commons wurden vom Markt verschluckt.

Als Gegenmaßnahme reicht die Rückkehr zum Sozialstaat jedoch nicht aus. Der vertikale Staatscharakter von oben nach unten ist mit dem horizontalen Charakter der Commons nicht vereinbar. Wir müssen nach einem neuen Weg suchen die Erde als nachhaltiges Common von der Verwertungsmaschinerie des Kapitalismus zurück zu fordern. Deswegen ist im Zeitalter der Umweltkrise eine Neuinterpretation von Marxs' Denken erforderlich.

Ein Klassiker als Werkzeug für heute

Die MEGA (Marx-Engels-Gesamtausgabe) ist ein Projekt, bei dem unzählige Schriften, Notizen und Forschungsnotizen, sogenannte "Exzerpte" von Marx, die bisher nicht veröffentlicht wurden von mehreren Forschern auf der ganzen Welt erarbeitet und veröffentlicht wurden und somit eine Neuinterpretation des "Kapitals" ermöglichen, die sich von den bisherigen Interpretationen stark unterscheidet. Das Das Kapital erscheint somit in einem neuen Licht und als ein Werkzeug, mit dem man die aktuelle Umweltkrise bekämpfen kann.

Das allgemein verbreitete Bild über Marx beruht auf dem Manifest der kommunistischen Partei (1884) von Marx und Engels. Das kommunistische Manifest besagt, dass durch den Kapitalismus ein Großteil der Arbeiter durch Ausbeutung verarmt. Die Kapitalisten werden zum Konkurenzkampf gezwungen, produzieren immer mehr Produkte, die sich die Arbeiter nicht leisten können, so dass es zur Überproduktion, Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit kommt. Die notleidende Masse erhebt sich und es kommt zur sozialistischen Revolution, welche die Kapitalisten hinwegfegt und die Arbeiter befreit.

Marx und Engels waren der Meinung, dass die Steigerung der Produktivkräfte und Produktionskrisen die Vorrausetzung für die Revolution schafft. Jedoch nachdem Wirtschaftskrise und Revolution nicht zur Befreigung der Arbeiter führte und der Kapitalismus sich als hartnäckiger erwies als gedacht, revidierte Marx seine Erkenntnisse.

"Das Kaptial" wurde 20 Jahre nach dem "Kommunistischen Manifest" von Marx verfasst, doch konnte er seine Forschungen nicht vollenden. Nach dem ersten Band von "Das Kapital" sollte der zweite und dritte Band folgen. Was wir heute als zweiten und dritten Band lesen können, wurde nach seinem Tod von seinem Freund Engels verfasst, der in vielen Dingen anderer Meinung war. Die Weiterentwicklung seiner Theorien ist nur einer Handvoll von Experten bekannt, die seine späten Notizen studiert haben. Daher wird Marx von vielen Forschern mißverstanden.

Das Mißverständnis ist die allzu optimistische Einschätzung, dass die Menschheit durch die vom Kapitalismus herbeigeführte Modernisierung befreit werde. Marx lobt die Errungenschaften und technischen Entwicklungen des Kapitalismus.

Der Kaptialismus führe zwar zur Verarmung der Arbeiter aber anderrseits führe er auch zur Steigerung der Produktivkräfte, welches es den Menschen erst einmal ermöglicht in Wohlstand zu leben.
Nennen wir diese Denkweise "progressives Geschichtsbild", dessen Vertreter der junge Marx sein soll. Dieses Bild von Marx ist das weitest verbreitete und erntet deshalb viel Kritik.

Dieses Geschichtsbild hat zwei weitere Merkmale der Eurozentrismus und Produktivismus. Produktivisumus verherrlicht die Modernisierung und Steigerung der Produktivkräfte, da diese zum Wohlstand der Menschheit führe. Es wird als höhere Entwicklungsstufe angesehen. Zu dieser europäischen Entwicklungsstufe sollten sich alle Völker hin entwickeln. Das wird dann Eurozentrismus genannt.

Die Kritik an Marx ist der Eurozentrismus bis hin zur Rechtfertigung des Kolonialismus, beispielsweise in dem Satz von Marx.

Das industriell entwickeltere Land zeigt dem minder entwickelten nur das Bild der eigenen Zukunft.

Der junge Marx behauptete, dass asiatische Gesellschaften insbesondere Indien überhaupt keine Geschichte hätten, weshalb eine Intervention kapitalistischer Staaten wie England nötig seien, um die Geschichte voranzutreiben.

Marx hat diese Meinung später revidiert. Er war nicht mehr der Meinung, dass alle Gesellschaften erst den Kapitalismus durchlaufen müssten.

Ein weiterer Vorwurf ist, dass der Produktivismus die Umweltkrise herunterspielt oder gar nicht beachtet. Einige Passagen des kommunisitischen Manifests machen Glauben, Marx habe die Produktivkräfte das Kaptialismus naiv gepriesen nach dem Motto mehr Produktivkräfte führen zu mehr Wohlstand. Marx wird vorgeworfen, das der ökologische Faktor in seinen Ideologien nicht vorhanden ist. Jedoch wurde schon im Kapitel 1 darauf hingewiesen, dass der Zusammenhang von Kapital und Umwelt von Marx untersucht wurde und im Das Kapital zielt Marx darauf ab, die Erde als Common zu verwalten.

Durch Justus von Liebig und seiner Stoffwechseltheorie wurde Marx inspiriert. Marx bezeichnet die Kreisläufe in der Natur als "Stoffwechsel mit der Natur". Auch der Mensch steht in diesem Kreislauf, doch der Mensch unterscheidet sich von den Tieren durch eine eigene Beziehung von Arbeit und Natur. Die Arbeit ist eine menschliche Tätigkeit die zwischen Mensch und Natur steuernd und vermittelnd eingeht.

Da im Kapitalismus einzig und allein die Wertsteigerung und Steigerung der Produktivkräfte oberste Priorität hat, wirkt sich dieser Stoffwechsel aubeuterisch und vernichtend auf die Natur aus. Marx warnte im Das Kapital vor einem unheilbaren Riss, den der Kapitlismus im Stoffwechsel verursache.

Im Das Kapital gibt es keine unkritische Befürwortung der Entwicklung der Produktivität. Stattdessen findet man Kritik an einer unumwunden Steigerung der Produktivkräfte zum Ziele der Gewinnoptimierung.

Nach der Veröffentlichung des Das Kapital widmete sich Marx vielen naturwissenschaftlichen Studien, welche dank der MEGA erforscht wurden. Die Bandbreite ist erstaunlich und die daraus resutltierenden Erkenntnisse Marx gingen weit über Liebigs Kritik am Raubbau hinaus. Themen wie Abholzung, Übernutzung fossiler Brennstoffe, Artensterben wurden untersucht und beschrieben.

Ein weiterer Author, den Marx studierte, war der Agrarwissenschaftler Carl Fras, der den Zusammenbruch altertümlicher Zivilisationen wie Ägypten, Mesopotamien, Griechenland untersuchte. Die gemeinsame Ursache war, dass es durch Abholzung zum lokalen Klimawandel kam, der die Landwirtschaft erschwerte. Die Regionen sind auch heute noch komplett vertrocknet, obwohl sie damals fruchtbar waren.

Die naive optimistische Einstellung zum Produktivismus des jungen Marx hatte sich später drastisch geändert. Später richtete Marx den Focus auf Kapitalismus und Natur.

Der Kapitalismus gewinnt Zeit, indem er den Riss im Stoffwechsel in die Peripherie auslagert. Der Riss wird unheilbar und nimmt globale Ausmaße an. Marx untersuchte genau die Abwärtspirale der Auslagerung, welche im ersten Kapitel beschrieben wurde.

Für den Ökosozialismus, der auf eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung abzielt.

Wie wir gesehen haben, änderte Marx seine positive Meinung über die Steigerung der Produktivkräfte und suchte nach einem Weg zu einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung im Sozialismus.

Eine nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum im Kapitalismus hielt er für ausgeschlossen, da der Kapitalismus unweigerlich zur Ausbeutung der Natur führt. Daher kam Marx zu dem Schluss, dass man erst zum Sozialismus übergehen muss und dann ein nachhaltiges Wirtschaftwachstum fordern sollte. Das ist die Vision des Ökosozialismus. Doch auch diese Ansicht änderte Marx später.

Marx erforschte nach 1886 kommunale organisierte Gesellschaften wie die Germanen, vorkapitalistische Eigentumsverhältnisse von Grund und Boden sowie die Landwirtschaft. Er studierte alte Schriften über das antike Rom, Indien, Algerien, amerikanische Ureinwohner, Südamerika. Sein besonderes Interesse galt der Mir, eine russische Dorfgemeinschaft. Marx lernte sogar russisch, um die Formen des Zusammenlebens des Ackerbaus und Grundbesitzes besser zu verstehen. Dieser späte Marx kritisierte den Kolonialismus aufs schärfste und hatte eine ganz andere Meinung als der Marx von 1853.

Der ältere Marx war der Ansicht, dass Gesellschaften, die dem Kapitalismus entgangen sind, ihre ursprünglichen Eigentumsverhältnisse und gemeinschaftlich verwalteten Commons, als Grundlage für den Kommunismus einbringen können bei gleichzeitiger Nutzung der Errungenschaften des Kapitalismus. Es besteht keine Notwendigkeit, dass diese Gesellschaften erst den Kapitalismus durchlaufen müssen.

Der späte Marx hatte ein multilineares Geschichtsbild. Er war der Auffassung das man die Unterschiede der Gesellschaften berücksichtigen müsse und dass man somit unterschiedliche Wege finden müsse, um zum Kommunismus überzugehen.

Fras untersuchte nicht nur untergegangen Kulturen sondern auch Kulturen die überlebt haben, wie beispielsweise die Germanischen Markgenossenschaften in der Zeit als sie sich zu sesshaften Agrargemeinschaften entwickelten. Bei den Germanen war Grundbesitz Allgmeineigentum. Die Produktionsmethoden waren strengen Regeln unterworfen. Verkauf von Land sowie Bauholz, Schweine oder Wein an Nichtmitglieder der Markgenossenschaft war strengstens verboten. Durch diese Regelungen konnte auch der Kreislauf der Bodennährstoffe erhalten und sogar gesteigert werden. Marx erkannte, dass es sogar eine "sozialistische Tendenz" gab, da Markgenossenschaften allen Mitglieder Land zur Verfügung stellten. Nach einem Losverfahren wurden diese Landstücke zugewiesen, so dass der fruchtbarste Boden nicht von einzelnen genutzt wurden, sondern durch eine Rotation der Nutzungsrechte wurde der Reichtum gleichmäßig verteilt. Man sieht hier auch eine enge Verbindung zwischen Nachhaltigkeit und sozialer Gerechtigkeit.

Marx erlangte durch Liebig und Fras die Perspektive einer auf naturwissenschaftlcihen Kenntnissen basierenden "rationalen Agrikultur" zur Überwindung der durch den Kapitalismus verursachten Krise. Der Kapitalismus nutzt Naturwissenschaft um die kostenlose Naturkraft auszupressen. Die Produktivkräfte verstärken den Raubbau und untergraben die Grundlagen einer nachhaltigen menschlichen Entwicklung. So eine Nutzung der Naturwissenschaften ist ausbeuterisch, vergeuderisch und keineswegs rational. Marx forderte kein grenzenloses Wirtschaftswachstum, sondern die nachhaltige Verwaltung des Planeten.

Marx sagte, dass Kommunismus nicht existieren kann, wenn man die kapitalistische Entwicklung zuvor so weit wie möglich treibt. Vielmehr bräuchten westliche Gesellschaften eine Rückkehr zu den Elementen der germanischen Markgenossenschaften oder der russischen Mir.

Der Brief an Sassulitsch und Marx' Bruch mit dem Eurozentrismus

In den letzten Lebensjahren wurde Marx gefragt, welchen Weg die russischen Dorfgemeinschaften einschlagen sollten. In der Debatte ging es darum, ob der Weg zum Kommunismus zwangsläufig nur über den Kapitalismus möglich sei. 1881 schrieb Marx an Vera Sassulitsch, dass die historische Analyse im Kapital ausschließlich auf die westlichen Länder bezogen sei. Es sei nicht nötig die verbleibenden russischen Dorfgemeinschaften zu zerstören um die Modernisierung voranzutreiben. Vielmehr seien sie ein wichtiger Stützpunkt im Widerstand gegen den Kapitalismus. Marx habe nicht die Absicht Russland den Weg der Modernisierung durch den Kapitalismus aufzudrängen.

In diesem Brief zeigt sich sehr deutlich der Wandel des späten Marx weg vom Eurozentrisums und Produktivismus. In den Vorentwürfen zu diesem Brief lobte Marx diese Kommunalgesellschaften in Form der Mir, da sie trotz Kriegen und Verdrängung eine enorm starke, natürliche Lebensfähigkeit besäßen. Er bezeichnet sie als neue Gemeinden.

Dank der ihrem Prinzip entlehnten Wesenszüge wurden sie während des ganzen Mittelalters zum einzigen Hort der Volksfreiheit und des Volkslebens.

Karl Marx

Marx wendet sich dem Degrowth zu

Ein weiterer Wandel in Marx Denken ist die Erkenntnis, dass die Stabilität kommunaler Gesellschaften ohne Wirtschaftswachstum zu einem nachhaltigen Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur führt.

Während der frühe Marx noch der Ansicht war, dass beispielsweise Indien mit einer stationären Wirtschaft überhaupt keine Geschichte hätte, wandelte er später seine Ansicht dahingehend, dass man die Nachhaltigkeit und Gleichheit bewusst zurück gewinnen müsse, um den Kapitalismus zu überwinden. Die Vorrausetzung dafür sei ein stationäres Wirtschaftsmodell.

Die westlichen Gesellschaften müssen zu einem modernen Typus des archaischen kollektiven Eigentums und der kollektiven Produktion finden.

Man solle das Prinzip der stationären Wirtschaft im Westen in einer höher entwickelten Form wieder aufleben lassen, wobei der Focus auf Nachhaltigkeit und Gleichheit liegt und die positiven technologischen Errungenschaften weiterhin genutzt werden sollten.

Ein auf Wirtschaftswachstum ausgerichteter Kommunismus, wie man ihn von der Sowjetunion kennt, steht daher völlig außer Frage.

Was Marx im Sinn hatte
Zeit Ansichten Wirschafts-wachstum Nachhaltigkeit
1840er bis 1850er Jahre Produktivismus Kommunistisches Manifest
( Artikel über Indien)
ja nein
1860er Ökosozialismus
Das Kapital Band 1
ja ja
1870er bis 1880er Jahre Degrowth-Kommunismus
(Kritik des Gothaer Programms)
nein ja

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Der Akzelerationismus als Realitätsflucht