Systemsturz

Die Klimakrise als "Hebel".

Wie wir wissen hatte Marx sich vom Eurozentrismus abgewendet und war stattdessen überzeugt, das man vom globale Süden lernen muss. Selbstverständlich geht es nicht um eine Rückkehr zu einer agrargemeinschaftlichen Lebensweise.

In diesem Kapitel geht es darum welche der bestehenden Initiativen weiterentwickelt gehören.

Das Leben in den heutigen Städten ist gekennzeichnet durch maßlose Energieverschwendung und einem Zusammenbruch der gegenseitigen Hilfe. Daher bedarf es vieler Verbesserungen.

In vielen Städten bewegt sich was: in Amsterdam und Paris, werden die Tage reguliert für die eine Wohnung auf Airbnb vermietet werden kann. In Grenoble werden Produkte multinationaler Konzerne aus Schulkantinen verbannt und vieles mehr.

Hier kommt eine Bewegung ins Spiel die unter dem Motto "Fearless City" dem Kapitalismus die Stirn bietet. Angefangen hat es in Barcelona.

Eine furchtlose Stadt: Barcelona ruft den Klimanotstand aus.

Barcelona hat im Januar 2020 als Stadt den Klimanotstand aufgerufen und unter dem Slogan "Fearless City" ein über 30 Seiten starkes Manifest mit einer Analyse und einem Aktionsplan verfasst. Das Ziel ist bis 2050 die CO2 Emmissionen auf null zu senken. Diese Manifest beruht auf der kollektiven Arbeit von Bürgern.

Der Aktionsplan umfasst,

Viele Punkte führen zu einer Konfrontation mit multinationalen Unternehmen, z.B. die Abschaffung von Kurzstreckenflügen oder Geschwindigkeitsbeschränkungen von 30 kmh im Stadtgebiet.

Es ist eine klare Abkehr vom Wirtschaftswachstum hin zum Degrowth und hin zum Gebrauchswert.

Das derzeitige Wirtschaftsmodell basiert auf kontinuierlichem Wachstum und einem nicht enden wollenden Wettlauf um Profite, bei dem immer mehr natürliche Ressourcen verbraucht werden.

Das gleiche Wirtschaftssystem, das das ökologische Gleichgewicht unseres Planeten gefährdet, hat auch die Ungleichheiten erheblich verstärkt. Die gloable ökologische Krise und insbesondere die Klimakrise sind zweifelsohne zu einem großen Teil auf den übermaßigen Konsum der reichen Länder und vor allem der wohhabendsten Bevölkerungsgruppen zurückzuführen.

Diese bahnbrechende Erklärung hatte natürlich eine Vorgeschichte. Durch den Lehman-Schock stieg die Arbeitslosigkeit in Spanien auf 15% und es kam in den Jahren zu Kürzungen im sozialen Bereich. Die Mieten stiegen, die Armut nahm zu. 2011 bildetet sich 2011 die Movimiento 15-M Bewegung. 2015 würde Aka Colau ins Bürgermeistamt gewählt. Er ist ein Aktivist der Anti Armuts Bewegung. Das Rathaus wurde für die Stadtbewohner geöffnet und der Stadtrat fungierte als Plattform für die gemeinsame Stimme der Bürger.

Die oben erwähnte Deklaration wurde von dem "Klimanotstandskomitee" verfasst, welchem mehr als 300 Bürger aus verschiedenstens Organisationen angehörten. Desweiteren gehörten dazu auch Mitarbeiter aus der Branche erneuerbarer Energien. Es ist also eine Koproduktion von Fachleuten, Arbeitern und Stadtbewohnern, die in der sozialen Produktion tätig sind.

So führen verschiedene Bewegungen, die über das Thema Klimawandel zusammenfinden, zu einem gesellschaftlichen Wandel.

Barcelona ist von jeher als Zentrum der Solidarwirtschaft mit Arbeitergenossenschaften, Verbrauchergenossenschaften, Wohlfahrtsverbänden, Verbraucherkooperativen für ökologische Agrarprodukte. Die Verbindung von Gemeinden und Genossenschaften ist für beide Seiten zuträglich.Beispielsweise bei der Vergabe von Aufträgen bekommen lokale und fair abeitende Dienstleister den Vorzug. Das sind in der Regel Genossenschaften. Eine Verlagerung von Outsourcing zum Insourcing. Wenn der Focus auf Autonomie und Teilhabe an der Politik sowie gegenseitige Hilfe der Genossenschaftsmitglieder anstatt kurzfristigen Gewinnstrebens liegt, fördert es eine partizipative Demokratie über den Bereich der Produktion hinaus.

Eine Kommune allein kann den Klimanotstand nicht stoppen, daher hat sich ein Netzwerk gebildet, um Wissen auszutauschen, zusammenzuarbeiten um eine neue Gesellschaft zu bilden. Mittlerweile zählen 77 Städte zu dieser Bewegung. Dieses Netzwerk wird Munizipalismus genannt.

Sie lehnen sich auf gegen staatliche neoliberale Maßnahmen, treten ein für das Wohl der Bürger und fürchten weder Staat noch global agierende Großunternehmen.

Ein weiterer wichtiger Punkt der Klimanotstandsdeklaration von Barcelona ist die Klimagerechtigkeit. Die Menschen, die am meisten und der Klimakrise zu leiden haben, die sogenannten MAPA (Most affected People and Areas) sollen erhört werden und die Ungerechtigkeit beseitigt werden. Es geht um eine Gesellschaft gegenseitiger Hilfe, in der Niemand zurück gelassen wird. Die Kosten sollen die Priviligiertesten schultern. Die Großstädte haben die Verantwortung einen Übergang in eine gerechte Gesellschaft zu schaffen. Der Aufruf "Niemand wird zurück gelassen" bezieht sich nicht nur auf die eigene Bevölkerung sondern die Menschen auf der gesamten Welt.

Vom globalen Süden lernen

Die ersten Versuche des Munizipalismus wurden insofern kritisiert, dass es eine Bewegung von Weißen aus den Industrienationen ist, wo es doch der globle Süde ist, der die ersten Versuche einer partizipativen Demokratie unternommen hat.

Die Widerstandsbewegung der Zapaisten in Mexico wurde 1994 mit dem Inkrafttreten des NAFTA gegründet und positioniert sich klar gegen den Kapitalismus.

Das Bündnis der Campesina (bäuerlicher Weg) wurde etwa zur gleichen Zeit gegründet ist die größte dieser Bewegungen in Südamerika. Hier kann man von der Stimme des Südens sprechen. Es geht darum die Landwirtschaft wieder in die eigenen Hände zu bekommen um zu überleben. Es geht um "Ernährungssouveranität".

In dieser Zeit der fortschreitenden Umweltzerstörung, fordern diese Bewegungen, dass die Industrienationen von den Pionierleistungen des globalen Südens zu lernen und sie gebührend zu würdigen.

In dieser Situation, wo der globale Süden ausgebeutet wird, geht es darum konkrete Möglichkeiten für den Aufbau einer Solidarwirtschaft zu finden. Diese Ziel hatte auch der späte Marx und in ähnlicher Weise auch die munizipalistischen Städte mit ihrem Bestreben für Klimagerechtigkeit und Ernährungsouveränität.

Ein Grundbedürfniss des Menschen ist Essen. Deshalb sollte die Ernährung ein Common sein. Ernährungssouveränität sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Leider sieht die Realität im globalen Süden oft anders aus. Die Anbaufläche, die in erster Linie zur Ernährung der Bevölkerung genutzt werden sollte, wird in vielen Ländern des globalen Südens, für den Anbau von Nahrung oder sogar Schnittblumen verwendet, die in die Industrieländer exportiert wird, während die lokale Bevölkerung hungert.

Desweiteren wurde in vielen Ländern die Agararwirtschaft nach westlichen Vorbild eingeführt, das bedeutet, dass die Bauern mit hybrid Saatgut verwenden, welches sie jedes Jahr neu kaufen müssen und außerdem lassen benötigen diese Pflanzen Düngemittel und Pflanzenschutzmitteln. Das alles stellt eine finanzielle Belastung für die Bauern dar, die sie oftmals in den Ruin treibt.

In einigen Ländern Afrikas bewirtschafteten Familien über Generationen hinweg ein bestimmtes Stück Land. Es war gängiges Recht, dass dieses Land an die Nachkommen weiter gegeben wird. Dieses Recht wurde vielen Menschen genommen, damit im großen Stil ein ausländischer Großkonzern, diese Fläche bewirtschaften kann.

Südafika ist eine der größten Exportnationen für landwirtschaftliche Produkte, obwohl etwa 26 Prozent der Bevölkerung hungen. 80 Prozent des gesamten landwirtschaftlichen Ertrags wird von 20 Prozent der in erster Linie weißen Großbauern erwirtschaftet, ein Erbe des Kolonialismus.

Um dieser Situation zu trotzen wurde 2015 die South African Food Sovereignity Campaign SAFSC gegründet, um Kleinbauern und Agrararbeitern eine Platform zu schaffen zur Förderung von Agrarkooperativen. Es geht darum, Kleinbauern das nötige Wissen zu verschaffen, um eine nachhaltige Landwirtschaft in Gang zu bringen. Ohne dieses Wissen, werden Bauern oft in die Schuldenfalle getrieben, um chemische Dünger, Saatgut und Pestizide zu kaufen. Statt dessen schaffen die Bauern mit Hilfe der SAFSC Kooperativen. Lokale NGOs verleihen nötige Maschinen. Mit Berufsausbildungen wird das nötige Wissen für eine nachhaltige Landwirtschaft wieder angeeignet. Die Bauern verwenden ihr eigenes Saatgut und sind nicht mehr abhängig von Großkonzernen. Ein Versuch die Commons wieder zu erlangen.

Ernährungssouverenität
"Ernährungssouverenität von Michael Albers"

All das nützt jedoch nichts, wenn die Klimakrise soweit fortgeschritten ist, dass nichts mehr wächst. Daher stehen Bewegungen wie SAFSC auch mit anderen Bewegungen rund um den Globus in Verbindung.

Der Aufruf zur Solidarität richtet sich an Bewegungen wie Sunrise Movement, Fridays for Future, Black Live Matters etc. Es ist ein Aufruf sich der Geschichte des Imperialismus, Kolonialismus, der britischen Apartheid, der deutschen Nazis, der US Ölindustrie zu besinnen und mit diesem kapitalistischen Erbe zu brechen. Ein Aufruf zu globaler Solidarität und ein Aufruf sich der imperialen Lebensweise und Produktionsweise zu stellen.

Solche Aufrufe gibt es in der ganzen Welt, doch wir bekommen davon nichts mit oder ignorieren sie.

Klimagerechtigkeit als Hebel

Die Klimanotstandsdeklaration von Barcelona ist eine Antwort auf den Bewegungen des globalen Südens. In ihr wird Klimagerechtigkeit gefordert und führt deshalb auch zu einem Degrowth-Wirtschaft.
Aron Bastani, Thomas Friedman und Jeremy Rifkin (siehe Kapitel2 und Kapitel5) setzen jedoch weiter auf Wirtschaftswachstum und das führt zur weiteren Ausbeutung der Peripherien. Es ist besteht allerdings kaum noch Spielraum für Externalisierungsmaßnahmen. Deswegen ist Klimagerechtigkeit absolut notwendig. Das schließt selbstverständlich umweltfreundlche, nachhaltige Technologien nicht aus. Doch statt des grünen Wirtschaftswachstum formuliert die Klimanotstandsdeklaration von Barcelona eine klare Kritik am kontinuierlichen Wachstum. Barcelona geht den gleichen Weg wie Marx: vom globalen Süden lernen und eine Gesellschaft zu schaffen, die den Gebrauchswert in den Mittelpunkt stellt.

Wirtschaft, Politik und Umwelt:
für eine Neuausrichtung der Dreifaltigkeit

Eine Neuausrichtung der Demokratie ist absolut notwendig, doch man kann nicht völlig auf die Macht des Staates verzichten, um Klimaschutzmaßnahmen durchzusetzen. Anarchismus führt hier nicht zum Ziel.
Vielmehr ist es notwendig, die Initiative von Bürgerbeteiligung zu fördern, damit sich die Meinung der Bürger in den Maßnahmen des Staats wiederspiegelt.

Wird die Demokratie erweitert, in der sich die Bürger beteiligen, werden wahrscheinlich viel grundlegender Fragen diskutiert werden, in welcher Gesellschaft wir leben möchten.

Es ist das Projekt der Dreifaltigkeit, bestehend aus der Überwindung des Kapitalismus der Neuausrichtung der Demokratie sowie der Dekarbonisierung der Gesellschaft. Die Verstärkung wirtschaftlicher, politishcer und ökologischer Synergieeffekt wird eine umfassende Umgestalung des Gesellschaftsystems erzwingen.

 

Auch wenn Bewegungen auf lokaler Ebene den Eindruck erwecken, als liefe uns die Zeit davon, doch wenn diese Bewegungen sich mit Mitstreitern auf der ganzen Welt verbinden, besteht Hoffnung, frei nach dem Slogan der Via Campesina

Globalisieren wir den Kampf, globalisieren wir die Hoffnung.

Je aktivier die Communities werden, desto mehr verlieren die Politiker die Scheu eine wirkliche Veränderung einzuleiten. Wie in Barcelona und auch in Paris, unterstützen sich die bottom-up Bürgerbewegungen und die Top-Down Politik der Parteien sich gegenseitig.

Die Bewegung in Barcelona breitet sich mittlerweile in ganz Spanien aus. Albert Garzon, Minister für Verbraucherschutz, übte deutlich Kritik am grünen Wirtschaftswachstum und sagte, dass es ohne einen Sozialismus neuen Typs für die Demokratie keine Zukunft gibt. Er rief die Bevölkerung auf den Konsum von industriell erzeugtem Fleisch zu verzichten und die Anzahl der Flüge zu reduzieren. Derlei Forderungen aus dem Munde eines Politikers wären vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen. Hier sieht man wie verschiedenen Bewegungen Früchte tragen.

Damit die Geschichte kein Ende hat / Schlusswort

Sollten wir weiter versuchen den Kapitalismus am Leben zu erhalten, sind wir angesichts des Chaos, das die Klimakrise mit sich bringt, zum Rückfall in die Barbarei verdammt.

Trotz all der klaren Analysen, stecken die meisten so tief im kapitalistischem Sumpf, dass wir uns ein Leben ohne ihn nicht vorstellen können. Auch wenn man den Ideen dieses Buches zustimmt, werden viele jedoch ratlos dastehen und nicht wissen was sie tun sollen.

Natürlich ist es ein harter Kampf, wenn man den 1 Prozent Superreichen die Stirn bieten will.

Laut einer Studie der Harvard-Politologin Erica Chenoweth kommt es zu großen gesellschaftlichen Umbrüchen, wenn 3,5 Prozent der Menschen gewaltlos und entschlossen aufbegehren.

An diesen Beispielen sieht man wie gewaltloser ziviler Ungehorsam zu gesellschaftlichen Umwälzungen führen kann und diese Bewegungen fingen alle mit wenigen Teilnehmern an. Die Demos wachsen zu Tausenden und Hunderttausenden und erreichen in den sozialen Medien Millionen von Menschen. Bei den Wahlen schlägt es sich dann in Millionen von Stimmen nieder, so das der Weg zu Veränderungen frei wird.

Unter diesem Gesichtspunkt, erscheint es vielleicht machbarer die 3,5 Prozent der Menschen zu gewinnen, die sich ernsthaft für die Themen Klimagerechtigkeit und Degrowth-Wirtschaft engagieren.

Es kommt auch auf Menschen an, die aus vielerlei Gründen etwas verändern wollen. Menschen die gegen die durch den Kapitalismus hervorgerufene Ungleichheit und Umweltzerstörung sind, egal ob sie nun in Form von Schulstreiks, Arbeiterkooperativen oder ökologischer Landwirtschaft agieren.

Man kann Gemeinderatsmitglied werden, man für eine Umwelt NGO aktiv werden. Oder man gründet ein bürgerverwaltetes Energieunternehmen.

Fordern Sie strenge Umweltmaßnahmen von ihrem Arbeigeber oder setzen Sie sich einer Gewerkschaft für eine Demokratisierung der Produktion und Arbeitszeitverkürzung ein.

Man braucht Menschen die Unterschriften sammeln, für die Ausrufung des Klimanotstands oder für Mehrbelastungen der Reichen. Es gibt vieles was wir sofort tun können.

Die Aufgabe des Systemwandels ist groß, aber das sollte keine Ausrede dafür sein, nichts zu tun. Die Beteiligung jedes einzelnen der 3,5 Prozent ist entscheidend. Die Zukunft hängt davon ab, ob Sie zu den 3,5 Prozent gehören werden oder nicht.